Tut gut und liegt so nah - Apothekeneigene Hausspezialitäten

Die handwerkliche Herstellung von Arzneimitteln gehörte traditionell zu den selbstverständlichen Aufgaben von Apotheken. Hausspezialitäten sind ein handwerkliches Unikat und in bestimmten Fällen sogar eine behördlich registrierte Arzneispezialität. Viele Apotheker:innen verwenden Rezepturen, die über Generationen hinweg überliefert wurden. Die Produkte repräsentieren ein über Jahrhunderte erworbenes, ursprünglich mündlich überliefertes, später in Rezepturbüchern aufgezeichnetes und heute auf den aktuellen Stand gebrachtes Fachwissen. Sie umfassen auch den Umgang mit der Natur, die daraus resultierenden Heilmittel und das Heilwissen, das untrennbar damit verbunden ist.


Mittlerweile ist der bürokratische und finanzielle Aufwand für die Genehmigungsverfahren und ständigen Qualitätskontrollen enorm gestiegen, mit der Konsequenz, dass immer mehr Apotheker:innen ihre selbst produzierten Hausspezialitäten aufgeben. Beschleunigt wurde diese Entwicklung durch ein europäisches Registrierungsverfahren, bei dem die Anmeldung jeglicher Arzneien auf industrielles und damit kosten- und vor allem zeitintensives Niveau angepasst wurde, welches sich für die geringen Stückzahlen der produzierenden Apotheken wirtschaftlich nicht mehr rentiert.  Somit geht ein Schatz rezeptfreier, kostengünstiger Arzneimittel, die der Bevölkerung vertraut und bekannt sind, langsam und unbemerkt verloren.

Die „Apothekeneigenen Hausspezialitäten“ erlangten in Österreich erstmals öffentliche Aufmerksamkeit durch die Eintragung in das Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes in Österreich. Mit dieser Anerkennung als kulturelles Erbe wirkte Österreich inspirierend für viele europäische Lander, sich ebenfalls mit ihren traditionellen Heilmitteln zu befassen. 

Apothekeneigene Hausspezialitäten umfassen neben der Rezeptur vor allem die Herstellungsart und das damit verbundene theoretisch fachliche, wie das praktisch handwerkliche Know-How von Apotheker:innen. Die lokale Bevölkerung verwendet sie gerne und schwört darauf – nicht zuletzt deshalb, weil bereits ihre Großmütter, Großväter, Mütter und Väter diese Tees, Tinkturen, Extrakte, Salben und Elixiere als wirksam befunden hatten. 

Apotheken stellen eine funktionierenden Heilmittelversorgung der Bevölkerung sicher      

Apotheken sichern die täglich benötigte Heilmittelversorgung der Bevölkerung. Fast die Hälfte aller von Haut-, Kinder- und Augenärzten in Österreich verschriebenen Arzneimittel werden in der Apotheke täglich „frisch“ hergestellt. Apotheken spielen außerdem eine essenzielle Rolle in der Katastrophen- und Krisenvorsorge unseres Landes. So ist im österreichischen Pandemieplan unter anderem vorgesehen, dass den Apotheken spezielle Aufgaben zukommen. Ein gutes Beispiel war die Herstellung von Handesinfektionsmitteln durch die Apotheken zur Überbrückung von Lieferengpässen während der Coronapandemie. Damit wurde klar, wie wichtig die Erhaltung von Wissen und Können der Apotheker:innen zur Herstellung von Arzneimitteln ist. 

Gemeinsam mit der Kurapotheke Bad Ischl führte der Verein I N D I G O elementar 2022 eine Umfrage durch, an der sich neun Apotheken aus dem Salzkammergut beteiligten. Knapp 80% gaben an, dass ihre Hausspezialitäten regelmäßig von den Bewohner:innen nachgefragt werden. 2022 produzierten noch drei Viertel der Apothekeneigenen Hausspezialitäten. 

Der Aufwand und die Kosten für eine ordnungsgemäße Registrierung sind jedoch mittlerweile nicht mehr rentabel. Es ist zu befürchten, dass daher weitere Apotheken die Herstellung der Hausspezialitäten einstellen und der Bedarf der Kund:innen nicht mehr gedeckt werden kann. 


Bild  © Kurapotheke Bad Ischl
https://www.kurapotheke.at/